Vanreise mit Rad und Wanderschuhen
„Während die Family am Strand lag, bin ich über einsame Sträßchen in die Berge geradelt“, sprach mein Kollege in der Kantine und sähte mit seinem Urlaubsbericht die Lust, die Lunigiana kennen zu lernen. Denn die Verbindung von Meer und Bergen ist genau mein Ding.
Mit der historischen Gebietsbezeichnung „Lunigiana“ lässt sich die Region, über die ich hier berichten möchte, am besten eingrenzen. Denn sie erstreckt sich über zwei Provinzen, beinhaltet einen kleinen Teil des Apennin und zwei Küstenstreifen. In diesem Bericht nehme ich Euch mit auf die schroffen Apuanischen Alpen mit ihren Marmorbrüchen und die sanften Kuppen des nördlichen Apennin. Wir streifen durch alte Dörfer der Garfagnana, die gegen Landflucht kämpfen, genießen die Infrastruktur des Serchio Tals und fliehen an Regentagen an leere Strände der Apuanischen Riviera. In der Nebensaison lohnt sogar ein Besuch der ansonsten touristischen „Cinque Terre“. Mannigfaltiger kann eine Region kaum sein.
Ein paar Monate nach dem Kantinengespräch taste ich mich, Hund Napoli im Gepäck, in Schrittgeschwindigkeit über den Passo delle Radici und damit den Rücken des nördlichen Apennin. „Eine saudumme Routenwahl“, denke ich, während Nebel und schier endlose Kurven an meinen Nerven zerren. Trotzdem ist es der Beginn einer großen Leidenschaft.
Cinque Terre – mit fliegenden Ohren bergab sausen
Als Anreise empfehle ich jedem die Autobahn von Parma nach La Spezia. Weil es April und damit Vorsaison ist, beginne ich unsere Reise mit den Cinque Terre, die sich von hier aus gen Norden leicht erreichen lassen. Ich weiß, dass die hübschen Küstenorte mit dem Auto kompliziert anzufahren sind, also bleibt der Campingbus im Hinterland und ich packe meinen vierbeinigen Begleiter in den Fahrradanhänger. Volltreffer!
Das Hinterland ist wunderschön und gar nicht touristisch. Die Fahrten zur Küste machen einfach Spaß. Entweder finde ich Schotterstraßen, auf denen Napoli ungehemmt laufen kann oder die Sträßchen sind wenig befahren. Ich genieße herrliche Ausblicke über die bunten Häuschen am Meer von Stopps, die per Auto unmöglich wären. Während wir auf zwei Rädern ungestört bergab sausen, beobachte ich mitleidig Autofahrer, die verzweifelt nach einem der wenigen Parkplätze in der Nähe der beliebten Ortschaften Ausschau halten. Die meisten Touristen kommen schlauerweise mit der Bahn, die an winzigen Haltestellen Menschenmassen ausspuckt, bevor sie auf der Weiterfahrt im Tunnel verschwindet. Meist meide ich daher den Ortskern sondern installiere mich für eine Pause etwas oberhalb – und döse allein mit Napoli in der Frühjahrssonne.
Apuanische Alpen – wandern zwischen Marmorwänden
Mit schroffen Felsnadeln sind die Apuanischen Alpen ein ernst zu nehmendes Gebirge, wenn auch keiner ihrer Gipfel 2.000 Meter überragt. Als Teil des Apennin, erheben sie sich unmittelbar hinter der Küstenlinie und Meerblick vom Gipfel ist keine Seltenheit. Die Besonderheit dieser Region liegt im Marmor, der hier seit Jahrhunderten abgebaut wird, was das Landschaftsbild kontinuierlich verändert. Wanderungen auf bestens beschilderten Wegen sind begleitet von Signaltönen der Baumaschinen. An riesigen Wänden aus weißem Marmor vorbei zu schreiten ist bizarr. Erst auf weitere Distanz lässt sich erkennen, dass manche Berge nur noch aus einem Rumpf bestehen. Auf Wänden verlassener Betriebshäuschen sind Parolen wie „No Cave“ zu lesen, was so viel bedeutet wie „keine Marmorbrüche“. LKWs transportieren tonnenschwere Quader ab und bleiben gelegentlich in den engen Kurven der Bergsträßchen stecken. Dann gibt es für lange Zeit kein vor und zurück der Kolosse und die wartenden Autofahrer vertreiben sich typisch italienisch die Langeweile: sie telefonieren.
Garfagnana – das Tal des Serchio
Die andere, also dem Meer abgewandte, Seite des Apuanischen Gebirges präsentiert sich intakt. Es ist ein breites Tal, durch das der Serchio fließt. Mehrere Tage verbringen wir bei Piazza al Serchio. Der Ort ist nichts Besonderes, doch er ist ein geeigneter Ausgangspunkt für zahllose Radtouren in alle Himmelsrichtungen. Ich fühle mich auch deshalb wohl hier weil die Einheimischen uns ausnahmslos freundlich begegnen. Entspanntheit gilt auch auf den Straßen, wo die wenigen Autofahrer viel Rücksicht nehmen. „Ah, un cane“ lachen die Radler, die uns überholen und zeigen auf Napoli im Anhänger. „Bravo! Buon viaggio“. Und schon entschwinden sie in ihrer Rennradmontur.
Nachts wird es noch empfindlich kalt. Einmal schmilzt das Eis auf der Windschutzscheibe erst während des Frühstückkaffees. Die Strahlen der Frühjahrssonne haben bereits Kraft und bescheren uns perfekte Bedingungen zum Radfahren: nicht zu warm für Napoli, angenehm für mich. Es fällt mir nicht schwer, Touren zusammen zu stellen, die uns beiden gerecht werden. Verkehrsfreie Laufstrecken für Napoli während ich mich bergauf schnaufend und manchmal schiebend seinem Trödeltempo problemlos anpasse. Bergab auf Asphalt mit fliegenden Ohren und kühlem Kopf. Ausgedehnte, noch winternackte Wälder bedecken die sanften Hügel der Garfagnana, auf höheren Bergkuppen glänzt letzter Schnee.
Immer wieder unternehme ich Abstecher in winzige Orte, die meist auf Anhöhen erbaut sind und fantastische Panoramen bereit halten. Eine Bar oder gar einen Alimentari sucht man meist vergebens. Einkaufen geht nur im Tal. Dort verläuft auch die Bahnstrecke, mit deren Hilfe sich grandiose Radtouren zusammen stellen lassen. Wer sich mit Rad und Hund und Glump schon immer mal an eine Bahnfahrt heranwagen wollte, hat hier ideale Bedingungen.
Manchmal habe ich einfach keine Lust auf’s Radfahren und auch mein vierbeiniger Freund braucht eine Abwechslung zu den breiten Wegen, die wir üblicherweise mit dem Drahtesel befahren. An Wanderungen mangelt es der Garfagnana wahrlich nicht und diese sind bestens gekennzeichnet. Allerdings sollte man beachten, dass es üppige Kastanienwälder gibt, deren stachelige Früchte nichts für Hundepfoten sind.
Strandtage – Pause von den Bergen
Zieht im Hinterland schlechtes Wetter auf, kann man mit etwas Glück trockene Strandspaziergänge unternehmen. Die Apuanische Küste ist von Ende September bis mindestens Ende März verlassen-schön. Die Bäder sind sturmsicher eingepackt, Strandgut lädt zum Schnüffeln ein und an frei laufenden Hunden stört sich niemand. Für mich war der Strand von Torre del Lago Puccini eine ungeplante Entdeckung. Der Ort ist einfach nur scheußlich, doch liegt er wenige Kilometer vom Meer entfernt. An der Wasserfront sind lediglich die obligatorischen Strandbäder zu finden. Abgedeckte Parkautomaten und ein paar Wohnmobile ermutigten mich, dort Ende März auch zwei Nächte zu verbringen, was anstandslos geduldet wurde. In südlicher Richtung säumen den Strand einige Naturschutzgebiete und es machte uns beiden viel Spaß, auf langen Spaziergängen die angeschwemmten Schätze im Sand zu erkunden.
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